Espaço Cultural
do Povo
Xukurú do
Ororubá

 

Besuch zum Xukuruvolk vom 13. bis 15. 12. 2003

 

Der Reiseanlass

Bei meinem letzten Heimatbesuch (2002) hatte mein damaliger Doktorvater, Prof. Dr. Manfred Nitsch von der Freien Universität Berlin, zugesagt, meiner Einladung nachzukommen, und den Nordosten Brasiliens genauer kennenzulernen. Im Juli ds. Jrs. schrieb er mir, mich im Dezember bei seinem nächsten Brasilienbesuch zu besuchen. Gleichzeitig äusserte er den Wunsch, wenn möglich auch das Indigenvolk Xukuru besuchen, um so einen klareren Eindruck über die wirkliche Lage dieses Indigenvolkes zu bekommen.

Daraufhin sprach ich mit dem Kaziken des Xukuruvolkes, Marquinho, der mir allerdings auf die gespannte Lage innerhalb seines Volkes aufmerksam machte und auf gewisse Gefahren eines solchen Besuches hinwies. Chicho Siqueira, ein langjähriger Freund, Ângelo Bueno, vom CIMI (Conselho Indigenista Missionário = Indianermissionsrat vom Nordosten) und ich besprachen dann die Lage, und Ângelo erklärte sich bereit, einige Tage vorher zu den Xukuru zu fahren, um über unseren Besuch zu sprechen und diesen vorzubereiten.

Die Reisegruppe

Paulo Eduardo, mein Neffe und Besitzer des Wagens, Typ Blazer, und gleichzeitig unser Fahrer); Ana Sávia, meine Nichte, weiterhin mein Sohn André, diese Universitätsstudenten, wobei Paulo Eduardo Geschichte und Ana Sávia Sozialwissenschaften an der Bundesuniversität von Campina Grande studieren, während André seine wissenschaftliche Arbeit im M. Sc.- Kursus an der Uni in Natal durchführt und ich Prof. für Rechtsphilosophie, wir aus Campina Grande.

Ausserdem reisten Prof. Dr. Manfred Nitsch, von der Freien Universität von Berlin, Profª M.ª Elisa da Cruz, vom Deptº der Sozialen Arbeit, von der Bundesuniversität von Sergipe und Francisco Siqueira, Mitarbeiter vom SERTA (Serviço de Tecnologia Alternativa - Institut für Alternativtechnologie) und als Indigenist langjähriger Mitarbeiter innerhalb des Indigenvolkes Xukuru und Ângelo Bueno, Mitarbeiter im CIMI (Conselho Indigenista Missionário = Indianermissionsrat des Nordostens) und langjähriger Mitarbeiter verschiedener Indianervólker im Nordosten und unter dieser auch das Xukuruvolk

Alle Mitglieder dieser Reisegruppe besitzen das volle Vertrauen der Verantwortlichen dieser Reise, die ihrerseits den Leitern des Xukuruvolkes durch die jahrelange Zusammenarbeit gut bekannt sind.

Reiseroute:

a) Hinweg: Campina Grande ? Recife ? Caruaru ? São Caetano ? Belo Jardim ? Pesqueira ? Serra do Ororubá (Territorium des Xukuruvolkes).

b) Rückweg: Pesqueira ? Sanharó ? Belo Jardim ? São Caetano ? Caruaru ? Glória do Goitá ? Recife ? Campina Grande.

Fahrtkilometer: 1.097.

Samstag:

Gegen Mittag trafen sich die Reisemitglieder in Recife, im Marhotel. Nach der üblichen Begrüssung fuhren wir die o. a. Reiseroute und kamen gegen 4 Uhr in Pesqueira an. Von hier fuhren wir den Berg - Serra do Ororubá - hoch. Nach etwa 2 km kamen wir zu der Reservatsgrenze.

Wir hielten an dem Markierungsschild:

FUNAI avisa:

(Fundação Nacional de Assistência ao Índio -

Nationaler Indianerschutz) warnt

 

Território Reservado

  • (= Reservat = ) -

ENTRADA PROIBIDA!!

(EINTRITT VERBOTEN!!)


Der Besuch beim Xukuruvolk:

Wir fuhren direkt zum Haus von Frau Zenilda, der Witwe des verstorbenen (brutal ermordeten) Kaziken Xicão. Hier stellten wir auch unsere neuen Begleiter vor und erfuhren von der Lage innerhalb des Territoriums. Es herrscht weiterhin eine grosse Unsicherheit inerhalb des Volkes. Dies hat seinen Grund darin, dass sowohl der Kazike Marquinho, wie auch Frau Zenilda und der Vize-Kazike Zé de Santa weiterhin des Öfteren Mordandrohungen erhalten.

Aufgrund dieser Tatsache hat das Bundesjustizministerium in Brasília einen Bundespolizisten zu deren besonderen Sicherheit ernannt. Allerdings ist es sonderlich, dass dieser Bundespolizist, der freien Zutritt in und durch das Xukuruvolk hat, auch gleichzeitig der verantwortliche und durchführende Beauftragte im Prozess gegen den Kaziken Marquinho ist, wo dieser völlig ungerechterweise (von Grossgrundbesitzern) angeklagt wird, für den letzten Mordanschlag gegen ihn selbst, und der Ermordung von zwei Indigenen der Hauptverantwortliche zu sein. Aufgrund des Protestes von Marquinho beim Bundesjustizministerium gab die Bundespolizei an, nicht über ausreichendes befähigtes Personal zu verfügen und deshalb diese beiden (konträren) Funktionen zusammengelegt habe. Als Marquinho dann energisch eine bessere Lösung forderte, wurde ihm vom Justizministerium versprochen, diesen Fall mit Ruhe und Überlegtheit zu studieren und eine Lösung zu finden.

Deswegen wurde uns auch verständig, dass Frau Zenilda uns mit Nachdruck bat, allen Sorgfalt zu üben, denn der o. g. Bundespolizist befände sich augenblicklich innerhalb des Reservates, um wie dieser angebe, gewisse Personen zu verhören. Anschliessend fuhren wir mit Marquinho zu der ehemaligen "Fazenda Santa Clara", die vor Kurzem von den Xukuru wiedereingenommen wurde. Es liegt an der asphaltierten Strasse, die nach Vila de Cimbres führt. Dieses grosse Gebäude wird nun zur Durchführung von Versammlungen und Seminaren benutzt. So wurde hier am letzten Wochende ein Seminar über Xukuruerziehung mit 190 Teilnehmern durchgeführt.

 

Abschlussfest der Grundschule

Nach dem Abendessen lud Marquinho uns ein, an dem Abschlussfest des Grundschulstudiums teilzunehmen. Obschon wir diese Einladung aussergewöhnlich fanden, nahmen wir die Einladung an, auch um diese neue Art der Prestige des Abschlusses der Grundschule mitzuerleben.

Der Festsaal war geschmückt und es waren um die 30 dekorierte Tische aufgestellt, die ausser mit Blumen auch mit Fruchsaft und Champanhe bestellt waren. Wir kamen an den Tisch der Gäste zu sitzen. Von vielen wurden wir begrüsst. Das Fest begann mit der Einladung der Autoritäten. Eine sympatische und unterhaltsam sprechende Lehrerin lud die Autoritäten ein, am Hauptstisch Platz zu nehmen.

Als erster wurde der junge Kazike Marquinho, gleichzeitg Patron der Abschlussschüler, eingeladen. Es gab begeisterter Beifall für den mutigen Kaziken des Xukuruvolkes. Anschliessend wurden der Vize-Kazike, dann Frau Zenilda, in der Folge João Jorge und weitere Autoritäten eingeladen. Während des Verlaufes dieser Zeremonie erklang eine angenehme, nicht laute rythmische Musik.

Nun ergriff der Kazike Marquinho das Wort und sprach einige einleitende Worte über die Bedeutung dieses Festes. Für die Geschichte und das Fortbestehen des Volkes ist vor allem die Grundausbildung von grosser Wichtigkeit. Diese liegt in den Händen der Volksschullehrer- und -innen. Mit grossem Stolz stellte er heraus, dass das gesamte Lehrpersonal innerhalb des Xukuruvolkes von den Leitern des Volkes ausgewählt wird, und man die Garantie hat, dass alle, ohne Ausnahme, diese Auswahl und Bestätigung sehr ernst nehmen und immer bemüht sind, die Traditionen und Gebräuche ihres Volkes getreu zu unterrichten und weiterzugeben. Für die Geschichte und das Fortbestehen des Volkes ist von allem die Grundausbildung von grosser Wichtigkeit. Diese liegt in den Händen der Volksschullehrer- und -innen. Mit grossem Stolz stellte er heraus, dass alle Lehrer und -innen diese Erziehung erhalten und weiterhin zu leben bemüht sind. Abschliessend bat er um herzlichen Beifall für die Lehrer- und innen, wie auch für alle Abschlussschüler. Es folgte ein langer, herzlicher Beifall. Jedoch bevor er seine Rede beendete, lud er uns Gäste ein, zum Autoritätstisch zu kommen und bat mich, meine Begleiter vorzustellen.

Somit stellte ich jeden von uns vor, wobei ich besonders meinen Freund, Prof. Dr. Manfred Nitsch als meinen damaligen geistigen Vater - Doktorvater - vorstellte und seine intensive, immer gut gemeinte Orientierung hervorstrich und wir über diese 20 Jahre hinaus immer in freundschaftlicher Verbindung geblieben sind. Ich sparch dann von der Bedeutung dieser Stunde, wobei unser berühmte, nordostbrasilianische Pädagoge Paulo Freire eine besondere Rolle einnimmt. Paulo Freire sieht und schätzt in jedem, schon von der Kinderzeit an, fortgehend in der Jugend und dann besonders als Erwachsener einen verantwortlichen Bürger und Mitbürger. Anschliessend sprach Manfred von der Bedeutung und der Aufgabe als Mitverantwortlicher. Jeder ist zum intensiven Angagement aufgerufen, in seiner Familie, seiner Arbeit, seinem Freundes- und Arbeitskreis und von jedem hängt das Gelingen und Zukunft ab. Jeder ist Teilnehmer und Mitgestalter der Geschichte. Und in diesem Sinne wünschte er allen Anwesenden, besonders den Leitern, den Lehrern und den Abschlussschülern ein gutes Handeln und volles Gelingen in allem was sie unternehmen! In der Folge ergriff Profª Eliza, Sozialprofessorin von Sergipe das Wort, indem sie von ihren Erfahrungen in der Sozialarbeit berichtete und gleichzeitig alle, besonders aber die Abschlussgratulanten aufforderte, immer eine ausgeglichene, menschliche Wertschätzung einzunehmen und sich durch keinerlei Hindernisse einschüchtern zu lassen. Anschliessend sprach der allen bekannte Chico von dem Stolz, den jeder in sich fühlt, nicht nur Xukuru zu sein, sondern dies auch tagtäglich zu leben und zu verteidigen. Allen, besonders den Jugendlichen wünschte er dann ein gutes Gelingen und einen immer andauernden, lebenden Stolz, verbunden mit einer Ausdauer, die sich dann auf alle weiter ausbreiten und mutig nachgeahmt werden wird.

Dann übernahm der Kazike Marquinho die Einhändigung der Zertifikate an die Abschlussschüler. Jeder, begleitet von seinem "Padrinho = Paten" ou "Madrinha = Patin" erhielt seine Abschlussbescheinigung, wobei jeder herzlichen Beifall erhielt. Daraufhin begann der Festtanz, wo zunächst diese Paare tanzten und anschliessend alle nach bekannten Rythmen mittanzten. Es war ein schönes, unkompliziertes Fest, allerdings mit einem guten Satz an Lebenssinn und -aufgabe.

Nach der Rückkehr unterhielten wir uns noch im Haus von Marquinho.. Hierbei legte Prof. Manfred uns dar, dass er auch von der deutschen Bundesministerin für Internationale Zusammenarbeit, Frau Heidi Wieczorek-Zeul, beauftragt worden sei, dem bekannten Kaziken Marquinho besondere Grüsse auszurichten und nach seiner Rückkunft ihr einen kurzen Situationsbericht zu übergeben.

Sonntag:

Nach dem Morgenkaffee fuhren wir zu dem Indigendorf Pedra d'Água, zur Grabstätte des tapferen Kaziken Xicão Xukuru, der am 20. 5. 1998 brutal ermordet wurde. Von der Justiz wurden bislang weder der Mörder noch die Auftraggeber verurteilt. Wir fuhren zunächst durch das Gebirge. Dann gingen wir zu Fuss durch das gebirgige Gelände, durch niedriges Gebüsch. Hier ist die Vegetation sehr unterschiedlich, einmal steiniges Gebiet mit sehr verschiedenartigen Kakteen, das unterbrochen wird von einem weiten Wald mit hohen Bäumen. In diesem letzteren Teil befindet sich die Gruft. Beim Eintritt empfindet man eine neue, ungewohnte Athmosphäre: umgeben von hohen Felsen kommt man in eine weite Schlucht, die von hohen Bäumen beschattet ist. Hier befinden sich die Grabstätten sowohl vom Xicão wie auch von weiteren Xukuru's, u. a. vom Chico Quelé und Ailson, die für ihr Volk das Leben aufopferten. Alle Gräber sind sehr einfach zugerichtet, versehen mit dem Bild und dem Geburts- und Sterbedatum. Man empfindet und spürt (irendwie) die Anwesenheit der Toten, ja sie leben weiter und sind in unserer Mitte. Wer sich mit ihnen unterhalten oder Ratschláge zu erhalten bemüht ist, kann sich leicht mit diesen verständigen und geht gestärkt zurück in sein alltägliches Leben.

Zurück von diesem eindrucksvollen Kontakt mit den Vorbildern des Xukuruvolkes fuhren wir dann in das Indigendorf Pé de Serra, etwa 40 km entfernt (über Sandstrassen), wo der Kommunitätsleiter und Lehrer Agnaldo wohnt. Er wohnt in einer sehr trockenen, aber auch bergigen Gegend, wo selbst das Trinkwasser, für Menschen und Vieh 6 bis 10 km herangetragen werden muss, da der dortige, grosse Stausee austrocknete. Wir unterhielten uns ausführlich über das Lehr- und Unterrichtssystem (8 Jahre) innerhalb des Xukurugebietes. Bislang gibt es hier nur die Grundschule und alle Schüler müssen um weiter zu studieren, also das Voruniversitätsstudium (Científico) und dann das eigentliche Universitätsstudium zu absolvieren, in die Stadt Pesqueira fahren. Andererseits wurde bestätigt, dass alle Grundschullehrer von den Leitern der Xukuru's ausgesucht oder bestätigt werden, allerdings von der öffentlichen Hand bezahlt werden. Neben dem traditionellen Unterricht mit allen bekannten Fächern legt man besonderen Wert auf die Weitergabe der Xukurugeschichte, mit ihren Traditionen und Gebräuchen. Auf unsere Frage nach dem Gebrauch oder der Erhaltung der eigenen Sprache berichtete Agnaldo uns, dass es sich eigentlich nicht um eine eigene Sprache, sondern um einen Dialekt handelt. Mit Bedauern stellte er fest, dass nur sehr wenige Personen noch den Xukurudialekt sprechen und dies vor allem, weil diese schon sehr alten Personen (alle über 90 Jahre) immer noch unter der jahrzehntelang durchgeführten Verfolgunsangst leiden, da es bis vor etwa 15 Jahren lebensgefährlich war, diesen eigenen Dialekt zu sprechen. Somit ist es sehr schwierig, diese Xukuru zu überreden, ihren Dialekt auch in der Grundschule zu unterrichten. Es werden zaghafte Versuche unternommen, ein Xukuru-Dialekt-Wörterbuch zu erarbeiten, was aber immer wieder durch die aufreibende Zeit- und Finanzfrage wie auch durch die erforderliche Kompetenz erschwert wird.

Interessant war es dann für uns alle, als Agnaldo ausführlich von der dringenden Notwendigkeit der Durchführung einer grundlegenden Diagnose innerhalb des Xukuruvolkes sprach. Diese Arbeit, alle Xukuru in den 25 Xukurugemeinden und nach der kulturellen, religiösen, finanziellen, gesundheitlichen und studienmässigen Situation zu erfassen, wird von den Professoren und -innen, unter Anleitung von Technikern vom SERTA (Serviço de Tecnologia Alternativa - Alternativtechnologie), in Glória do Goitá durchgeführt. Die ersten Probediagnosen wurden im November durchgeführt und im Dezember / Januar sollen ca. 100 Kleindiagnosegruppen diese Erfassung beenden. Davon ausgehend werden verschiedene Analysen erforderlich sein, um über die zukünftig angebrachten Unternehmungen zu entscheiden. Die anfanglichen Kosten konnten von der Xukuru-Kooperative übernommen werden, aber für die Fortsetzungen dieser Arbeiten werden andere, auswärtige Unterstützungsorgane erforderlich sein.

Vor dem Haus vom Agnaldo stand der Lastwagen, das einzige Transportmittel des Xukuruvolkes. Agnaldo zeigte uns die Wichtigkeit der Unterstützung von deutscher Seite zur Unterhaltung und gelegentlichen Reparatur dieses Transportes. Einmal dient dieser Lastwagen zum Transport von den Bewohnern, sei es zu Studientagen, wie auch, um die Früchte der Xukuru zum Markt zu fahren. Aber vor allem, um die im grossen Teil des Xukurugebietes anhaltende Trockenzeit und Dürre zu mildern. Mit diesem Lstwagen wird es ermöglicht, die Ernährungsmittel (Schulspeise) zu den Schulen zu fahren und das Viehfutter (vor allem die Kakteenpflanze Palma - ohne Stacheln) herbeizuschaffen und somit die kritische Lage ein wenig zu beheben. Es wird schon eine Benutzungsgebühr erhoben, aber oft ist die Situation der einzelnen Nutzer so drastisch, dass man keinen Beitrag erheben kann.

Nach diesem lang ausgedehnten Besuch kamen wir zum erwarteten, aber schon reichlich verspäteten Mittagessen. Danach fuhren wir zum Ritualplatz in der Vila de Cimbre. Da wir hier verspätet eintrafen, es waren mittlerweile schon nach 16 Uhr, hatte das Rituale schon begonnen. Nach Beendigung des begonnenen Ritualtanzes, lud der Zeremonienmeister den Kaziken Marquinho zur Übernahme der Zeremonien ein.

Marquinho sprach nun etwa 40 Minuten von seinen letzten Reisen, besonders der Fahrt nach Brasília in der vorigen Woche, wo er mit zuständigen Behörden über die Rückgabe der Xukuruländereien verhandelte. Gleichzeitig beanstandete er beim Justizministerium die Behandlung der Bundespolizei im Indigengebiet. Immer auf einzelne Fragen antwortend, lud er am Schluss uns Besucher ein, einige Worte zu sagen. Stellte die Mitglieder unserer Gruppe vor und sprach dann über die Bedeutung, an diesem Ritual teilnehmen zu können. Jedesmal ist es für mich eine Stärkung, wenn ich am Ritualtanz teilnehme und vom Zeremonienmeister eingeladen werde, den Jurunatrank mitzutrinken. Anschliessend strich Prof. Manfred hervor, dass besonders bei diesen Anlässen die Bildung und Festigung von neuer Verantwortung und Mitverantwortung als Mitbürger geformt und gefestigt wird. Er bedankte sich sehr herzlich für die erwiesene Freundschaft, besonders vom tapferen, jungen Kaziken Marquinho und wünschte allen guten Erfolg in den oft so schweren Handlungen! In diesem Sinne sprachen dann auch alle weiteren Gäste. Anschliessend lud der Zeremonienmeister uns (Gäste) ein, den Ritualtanz mitzutanzen, was von uns allen emotioniert angenommen wurde. Es ist ein besonderes Erlebnis, in diesem einfachen, aber besinnlichen Rythmus zu tanzen und den Refrain mitzusingen...

Am Abend wurden wir dann zum Geburtstagfest der Freundin vom Marquinho eingeladen, wo wir dann auch weitere Bekannschaften machten.

Montag:

Um 7 Uhr morgens waren wir zur Weiterfahrt bereit. Marquinho lud uns dann zu einer kurzen Besprechung ein. Hier nutzten wir die Gelegenheit, uns bei unseren Gastgebern für die herzliche Aufnahme zu bedanken. Gleichzeitig bekundete jeder die beeindrucksvollen Einladungen, wobei man die Situation dieses tapferen Xukuruvolkes näher kennen lernte. Abschliessend sprachen Frau Zenilda und der Kazike selbst. Sie betonten, dass sie die Unterstützung von jedem von uns für sie sehr wichtig ist. Denn sie erwarteten mit der Wiedereinnahme ihrer Ländereien auch eine Beruhingung der Situation zu erringen. Aber, so scheint es, die Feinde ermüden nicht. Im Gegenteil, immer erfinden sie neue Hindernisse, um die Arbeit und den Fortschritt der Xukuru zu erschweren. Aber sie fühlen und wissen um die Unterstützung von uns allen, jeder an seinem Ort und in recht unterschiedlichen Situationen.

Dann kam der Abschied. Es ging weiter, jetzt in Richtung nach Glória do Goitá, wo wir das Zentrum für Alternativtechnologie besuchen wollten. Auf dem Wege zurück, allerdings noch innerhalb des Indigenreservates, jedoch kurz vor dem Eintrittstor, hielt uns plötzlich ein unbekannter Wagen an. Es war ein grosses Personenfahrzeug. Überrascht hielten wir an.

Unser Fahrer Paulo Eduardo wurde etwas nervös, denn es war die gewohnte Überfallsgeste. Allerdings befanden wir uns noch im Rservat. Aus dem uns anhaltenden Wagen stiegen dann 4 - 5 Männer aus und nach einigen Schritten in unsere Richtung zogen sie ihre gekennzeichneten Jacken über: Polícia Federal = Bundespolizei.

Sie frugen nach unserem Fahrtziel und wer die einzelnen Insassen des Wagens seien. Unser Fahrer erklärte genau unseren Reiseplan mit den entsprechenden -zielen und stellte jeden von uns vor. Dann zeigten sie sich zufrieden und gaben unsere Weiterfahrt frei. Hier wurden uns die Hintergründe dieser Affäre klar: man wollte den Kaziken Marquinho sprechen und evtl. verhindern, dass er mit uns weiterführe. Marquinho, der geschützt werden soll, wird in Wirklichkeit verfolgt...!

Überlegend und bedenklich setzten wir unsere Rückfahrt fort. Jeder dachte bei sich, wie die tapfere Arbeit von diesem Kazike und seinen Leitern immer wieder auf brutale Art und Weise erschwert wird.

Gegen 11 Uhr kamen wir dann in Glória do Goitá, im SERTA (Serviço de Tecnologia Alternativa), also im Zentrum für Alternativtechnologie an. SERTA arbeitet mit verschiedenen Gemeinden der Gegend zusammen und hat die theoretische Bildung und besonders die praktische Ausbildung von Jugendlichen in den landwirtschaftlichen Arbeiten zum Ziele. Sie verfügen über zahlreiche ausgebildete Techniker in den verschiedenen landwirtschaftlichen Bereichen, wobei der dortige Direktor, Herr Prof. Moura, die besonderen Akzente bezüglich Umweltschutz, die Verbindung mit der Natur und alternativen Anbau und umwelteingebundene Tier- und Pflanzenzucht setzt. Gleichzeitig befindet sich hier auch das Dokumentationszentrum aller technologischen alternativen Schulen von Lateinamerika. Nach dem Mittagessen besuchtigten wir die weitausgebreiteten Anlagen, wobei uns der Technische Leiter, Herr Sebastião besondere Hinweise und Erklärungen gab. Dann versammelten wir uns mit dem Prof. Moura. Hier stellten wir dann sehr viele gezielte Fragen über die schulische Unterrichtungsweise, ihrer Theorie und Praxis. Herr Moura zeigte uns dann, dass man versucht von der gegebenen Wirklichkeit ausgehnd, gängige Lösungen für ein humanes und würdiges Leben der Kleinbauern zu erarbeiten und in die Praxis umzusetzen. Die Jugendlichen setzen die theoretischen Anweisungen immer periodisch festgelegt in ihrem elterlichen Besitz in die Praxis um, wobei die Techniker Hilfeleistungen erbringen und anschliessend, wiederum im Zentrum, werden die erbrachten Ergebnisse genauestens besprochen, d. h. vorgestellt und kritisch analysiert und es werden die notwendigen Verbesserungen vorbereitet oder auch neue Arbeitsmetoden erarbeitet und praktiziert. Prof. Moura zeigte dann weiterhin die positiven Ergebnisse auf. Ebenso auch den Wunsch aller Beteiligten, einschliesslich der Bürgermeister der Gemeinden, diese Zusammenarbeit fortzusetzen, zu vertiefen und zu verbessern. Leider fehlt es allerdings oft an den notwendigen Mitteln, nicht so sehr wegen des Fehlens an vorgesehenen Etatsmitteln, jedoch vielmehr weil die etatierten Mittel nicht zeitplanmässig freigegeben werden und dann oft die ganze Infrastruktur des SERTA in Gefahr gesetzt wird.

Dann fuhren wir Richtung Recife, um uns im Hotel auszuruhen.

Dienstag:

Für diesen Dienstag hatten wir kein besonders Programm aufgesetzt. Wir besuchten einige historische, kulturelle Denkmäler aus dem 16. Jahrhundert in Olinda, genossen den schönen Landschaftsblick von der Praça da Sé zum weiten, blaugrünen Meer und besuchten auch das kolonianische Franziskanerkloster in Olinda mit seinen guterhaltenen, goldverzierten Altären, die grosse Sakristei mit den Jakarandáschränken und das Klosterinnere, wo ich von 1962 bis 64 sein Philosophiestudium als Franziskanerstudent absolvierte.

Nachmittags gegen 5 Uhr kamen wir dann zum Mittag- / Abendessen am Strand in Recife und anschliessend unterhielten sich Paulo Eduardo, Ana Sávia und André mit Prof. Manfred über ihre Studienpläne. Besonders André besprach ausführlich über seine Forschungsarbeit im M.Sc.-Kursus und die Möglichkeiten dieses Studium zum Ph. D.-Studium auszuweiten.

Im Anschluss daran überreichte ich dem Manfred den Projektantrag von dem Irmão Urbano mit dem Titel "Água é vida - Wasser bedeutet Leben". Urban ist der Koordenator von der ONG UTOPIA, in Campina Grande, wo sie nach dem Lema "Gutes Trinkwasser für alle Häuser - eine selbstgebaute Zisterne für jedes Haus mit gutem Regenwasser" in verschiedenen umliegenden Gemeinden arbeiten. Dieses Programm ist in der Ausführung recht einfach und gleichzeitig sehr effizient: 5 Familien schliessen sich zusammen; Urban mit seinen Technikern helfen bei der Errichtung der 1. Zisterne, die aus dem Programm finanziert wird. Diese 5 Familien, nachdem sie durch die Erbauung der 1. Zisterne die einfache Konstruktionsart gelernt haben, bauen 4 weitere, folglich für jede Familie eine Zisterne. Nach der Beendigung der 5. wird jeder Familie ihre Zisterne als eigen übergeben. Manfred hörte den Darstellungen vom Aloys interessiert zu und versprach, diesen Finanzierungsantrag an zuständige Organisationen weiterzureichen.

 

Mittwoch:

Tag der Rückfahrt der Reisegruppe:

Manfred flog um 7.40 Uhr von Recife über São Paulo nach Berlin.

André fuhr um 9 Uhr nach Natal.

Eliza fuhr um 12 Uhr nach Aracaju.

Paulo Eduardo, Ana Sávia und ich fuhren anschliessend nach Campina Grande.

Reisekosten:

  1. Kauf der Lebensmittel fürt unseren Aufenthalt beim Xukuruvolk ............................................................................................. R$ 145,00

  2. 1.097 gefahrene km je zu R$ 0,70 (für die Unterhaltungs- und Spritkosten)............................................................................... R$ 770,00

  3. Verschiedene Unkosten (im Hotel, Telefongespräche, Essen etc.) .............................................................................................. R$ 490,00

  4. 5 Hotelübernachtungen mit Frühstück (Bancorbras) mit dem Jahresbetrag vom Aloys ..................................................... R$ -,--

Gesamtkosten ............................................... R$ 1.405,00

 

Schlusswort:

Die Reisegruppe üsserte sich beeindruckt über diese Fahrt. Recht unterschiedliche Erlebnisse liessen die Lage und Lebensweise der Xukuru begreifen und auch die herzliche, offene Aufnahme verhalfen uns, ein wenig von ihren Traditionen und Gebräuchen kennenzulernen.

Wie Manfred so treffend sagte für die Xukuru ist es eine Frage der Ausgeglichenheit zwischen dem Exotischen und dem Normalen. Falls sie sich zu sehr als Indigene herausheben ziehen sie nicht nur eine Kuriosität über sich, sondern erleiden auch starke Angriffe. Wenn sie ihr Recht auf das Anderssein, auf das Verschiedensein, auf die Alterität vernachlässigen oder gar aufgeben würden, verlören sie im Laufe der Zeit ihr legales Anrecht auf ihre Territorien und müssten das Land zum Überleben pachten. Nach seiner Meinung verstehen sowohl der Kazike Marquinho, Frau Zenilda, der Lehrer Agnaldo und weitere Leiter es sehr gut, den guten Ausgleich zu finden und sich auch in Zukunft als Xukuru zu behaupten und respektiert zu werden.

Wir wünschen dem Xukuruvolk, wie auch allen Indigenvölkern ein gutes Gelingen in ihren rechtmässigen Bestrebungen, als brasilianische Indigene in ihrer eigenen Lebensart und -weise zu leben.

Campina Grande, den 31. Dezember 2003

Aloys I. Wellen

Anschrift:

Brasilien:
Aloys I. Wellen
Rua: Maria Arruda de Figueiredo, 820
Monte Santo
58.102-020 Campina Grande – PB.
Telefone: 00-55-83-321-0208 -
E-Mail: aloys@uol.com.br

 

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